Among the world’s fastest-growing industries, tourism is perhaps the most ephemeral. It is today a vast enterprise stretching into virtually all corners of the globe and beyond, requiring costly material infrastructures serving a largely immaterial purpose. Airplane terminals, train stations and bus stops have long ceased to serve transportation alone. Instead, they have been elevated to a higher calling, more noble and grand, as portals of self-actualization ⎯ thresholds after which desire is boundless, and our projections are granted the freedom we have always known them to be worthy of.
The pull of tourism is ignited by a timeless gesture, by the poetry of imagining oneself elsewhere and the hope against hope that this elsewhere will transcend the limits of the body and self. It is a kind of choreography ⎯ to move, and in turn, be moved. But this motion, while a steadfast affirmation of being alive, of existing in the present, is also a condemning to death ⎯ the cost of the world is the world; there is no retaining without relinquishing. Perhaps tourism, so closely linked to desire, is also structured like language. If naming something requires binding it, even killing it in order to establish ourselves as separate, then to truly see the world is to see it become invisible to you, to become helplessly implicated in the disappearance of what is utmost vital. Isn’t the camera, tourism’s principle tool, an all too impotent and tragic invention, preying on our penchant to long for the irrevocably lost? Looking to capture the fleeting, we are robbed of even the benevolent possibility of forgetting what is no longer in front of us.
The tourist goes out into the world seeking the world, and finds the echo of a song sung only to itself. A beach is not a beach, but an example of one. A croissant is not a croissant, it is an example of one. Each a suggestion, a nod to something that feels primordial, but has long ceased to exist, if it ever did. We read them in their constellations as important idioms forming a tapestry of the world as we believe it to have been, a world we can’t help ourselves from seeking, but find static and eternalized in amber. Life is not lived until the signs of the world converge, until it is super-lived during our travels, when our conviction in the infinite is justified and true, and every sunset contains the promise of salvation.
Text Leo Busch
»The Dawn of Day«, 2024, oil and sand on canvas, 230 x 190cm
Tourismus ist unter allen rasant wachsenden Wirtschaftszweigen der wohl Ephemerste. Heutzutage ist er eine enorme Industrie, die sich in fast alle Winkel der Welt ausdehnt, einer kostspieligen Infrastruktur bedarf, und doch vor allem durch ein immaterielles Ziel begründet wird. Flugzeug-Terminals, Bahnhöfe und Bushaltestellen dienen längst nicht mehr nur dem Transport. Vielmehr dienen sie einem höheren Zweck, etwas Edlerem und Größerem. Als Portale der Selbstverwirklichung sind sie Schwellen zu grenzenloser Sehnsucht, in der unsere Projektionen und Fantasien endlich die verdiente freie und unendliche Möglichkeit zur Entfaltung erfahren.
Die Anziehungskraft des Tourismus beruht auf einer zeitlosen Geste. Auf einer poetischen Vorstellung, sich an einen anderen Ort zu denken, sowie das Hoffen wider aller Hoffnung, dass dieser Ort die Grenzen des Körpers und des Seins überwinden kann. Es ist eine Art Choreographie 𑁋 sich zu bewegen, und im Gegenzug, bewegt zu werden. Während diese Bewegung zum Einen eine unerschütterliche Bestätigung des Lebendigseins und des Daseins in der Gegenwart ist, ist sie zugleich ein Todesurteil. Der Preis der Welt ist die Welt; es gibt kein Festhalten ohne Verzicht. Vielleicht ist der Tourismus, der so eng mit dem Begehren verbunden ist, auch wie eine Sprache strukturiert. Es gibt kein Benennen ohne Bindung, kein Beschreiben ohne Verurteilung. Um selbst eigenständig zu sein, müssen wir die Welt einhegen, vielleicht sogar vernichten. Um sie wirklich zu erfassen, muss die Welt unsichtbar vor unseren Augen werden und wir müssen uns dem Verschwinden alles Wesentlichen im Leben voll und ganz hingeben. Ist nicht die Kamera 𑁋 das Paradewerkzeug des Touristen 𑁋 eine allzu impotente und tragische Erfindung, die unserer Sehnsucht nach dem unwiederbringlich Verlorenen entspringt? In der Hoffnung, das Flüchtige festhalten zu können, wird uns sogar die wohlwollende Möglichkeit genommen, das zu vergessen, was wir nicht mehr vor Augen haben.
Wir gehen in die Welt hinaus, um die Welt zu suchen, doch finden lediglich das Echo eines Liedes, das nur für sich selbst gesungen wird. Ein Strand ist kein Strand, es ist ein Beispiel für einen Strand. Ein Croissant ist kein Croissant, es ist bloß eine Andeutung. Beides ist nur eine Anspielung auf etwas, das ursprünglich zu sein scheint, aber längst nicht mehr existiert, wenn es denn je existiert hat. Wir sehen nur ein Trugbild, einen Abdruck der Welt 𑁋 und doch können wir nicht aufhören die Dynamik und Lebendigkeit dessen, was wir als Ursprung glauben, zu suchen. Auf unseren Reisen finden die unermesslichen Zeichen dieser Welt einen Weg zueinander. Hinter und in allen von ihnen steckt das Potenzial der Verwirklichung, die Möglichkeit einer Überwindung. Das Leben kann dann beginnen und enden, wenn der Glaube an die Unendlichkeit gerechtfertigt und wahr ist, und jeder Sonnenuntergang das Versprechen der Erlösung enthält.
TOURIST ist eine Gruppenausstellung mit Arbeiten von Lisa Röing Baer, Robert Brambora, Henri Haake, Inka & Niclas, Lukas Liese and Roman Roth.
Text von Leo Busch
TOURIST
11 October - 13 October 2024
CROWDED, Salon am Moritzplatz, Oranienstr. 58, 10969 Berlin
Photos of the exhibition © by Peter Oliver Wolff
Photos of the artworks © by Henri Haake